408620 VO Zeitgenössische soziologische Theorie: Zur relationalen Theorie sozialer Praktiken - Hinführung und Anwendungen

Wintersemester 2020/2021 | Stand: 09.12.2020 LV auf Merkliste setzen
408620
VO Zeitgenössische soziologische Theorie: Zur relationalen Theorie sozialer Praktiken - Hinführung und Anwendungen
VO 2
5
wöch.
jährlich
Deutsch

Curr. § 6 Abs 2 Z 3:

Die Studierenden sind in der Lage, die postklassische Theorielandschaft in ihrer Entwicklung, ihren Strategien und Differenzen zu charakterisieren und kritisch zu beurteilen.

Die Bachelorarbeit kann es haben. Die Masterarbeit soll es haben. Die Dissertation muss es haben –  eine Vorstellung davon, wie gesellschaftliche "Strukturbildungen" mit der individuellen Subjekt-Konstitution zusammenspielen. Wir sprechen darüber. Wir müssen über uns selbst nachdenken:
•    Wie werden Menschen zu Subjekten geformt (Subjektkonstitution)?
•    Was treibt unsere sozialen Praktiken an?
•    Wie kann menschliche Freiheit unter den Bedingungen der Gesellschaft verstanden werden?

Anstatt auf den Weg kritischer Philosophie zu setzen, der von Kant über den Neukantianismus und die frühe deutschsprachige Soziologie bis hin zu mehreren Varianten der Gegenwartssoziologie führt, diskutiert die Lehrveranstaltung den alternativen “historischen” Weg kritischen Denkens, der von Hegel über die frühe Kritische Theorie zu französischen Denkern wie Michel Foucault und Pierre Bourdieu leitet, die heute global zu den meistzitierten Sozialwissenschaftern bzw. Soziologen zählen (bzw. dies sind).
Statt also die Grundlagen des Denkens einer allgemeinen Wahrheit zu ergründen, geht die Veranstaltung davon aus, dass  “Wahrheit einen Zeitkern” hat (Horkheimer). Kritisches Denken kommt an einer “historischen Ontologie unserer selbst” (Foucault) nicht vorbei.
    Was bedeutet das? Es geht darum, zu überlegen, welche gesellschaftlichen Faktoren uns zu dem machen, was und wie wir sind. Theodor W. Adorno sieht eine Ökonomisierung aller Lebensbereiche, die sich sogar dem Denken bemächtigt und der gegenüber sich die Individualität des Menschen kaum mehr erwehren kann. Für Pierre Bourdieus strukturgenetische Soziologie verkörpern sich unsere Erfahrungen einer historisch vorhandenen Wettbewerbsgesellschaft in den von uns etablierten und ausgeübten Praktiken, wodurch letztere dazu tendieren, krasse Strukturen sozialer Ungleichheit zu reproduzieren. Der Poststrukturalismus von Michel Foucault betont nicht die Ökonomisierung des Sozialen per se. Vielmehr bezieht er sich auf eine in den 1970er Jahren historisch entstandene “neoliberale Gouvernementalität”, deren Merkmal es ist, die Menschen nicht mehr durch Zwang, sondern indirekt mittels der ‘Freiheit’ eigener Individualität und Wahl zu ‘regieren’.
Indessen überlegt die neuere Kritische Theorie, ob die Soziologie neben der erklärenden Analyse des Gegebenen nicht auch eine normative Leitidee integrieren müsse, weil das menschliche Potential der “Kommunikation” (Habermas), des Ringens um “Anerkennung” (Honneth) und “Resonanz” (Rosa) sozialen Wandel als zukunftsoffen zu denken anleite.

Damit führt das Modul in die Forschungswerkstatt zeitgenössischer soziologischer Theoriebildung. Perspektiven und Kategorien heute wirkmächtiger Theoriestränge werden herausgearbeitet und mittels einer Seminarkonferenz an vielen Fallbeispielen angewendet. Immer geht es dabei, wie oben dargestellt, um Theorie, die stets mit im Visier hat, worüber sie spricht: ihren historischen Gegenstand der jeweilig konkreten Gesellschaft.
Die Vorlesung stellt vor. Im Seminar werden exemplarisch Originalwerke diskutiert. Die Lehreinheiten werden durch die Seminardiskussion eröffnet. Die darauf aufbauenden Vorlesungen mit Diskussion bilden jeweils den zweiten Teil der Nachmittagssitzungen.
Das Modul zielt darauf, die postklassische Theorielandschaft in ihrer Entwicklung, ihren Strategien und Differenzen als umkämpftes Feld erkenntlich zu machen. Es soll befähigen, die verschiedenen vorgestellten Perspektiven kritisch aufzugreifen und mit diesen selbständig weiterarbeiten zu können mit dem verbindenden Ziel: einer soziologischen Analyse brisanter Entwicklungen in unserer Gesellschaft.

Vortrag und Diskussion, Beurteilung aufgrund eines einzigen Prüfungsaktes am Ende der Lehrveranstaltung.

Lehrveranstaltungsprüfung gemäß § 7 Satzungsteil, Studienrechtliche Bestimmungen

Bidet, Jacques. 2016. Foucault with Marx
Bourdieu, Pierre. 2012. Die feinen Unterschiede
Bourdieu, Pierre. 1987. Sozialer Sinn
Dodge, Toby. 2018. Bourdieu goes to Baghdad: Explaining hybrid political identities in Iraq
Emirbayer, Mustafa. 2017. Manifest für eine relationale Soziologie, 30-73
Foucault, Michel. 2010. Kritik des Regierens
Habermas, Jürgen. 1981. Theorie des kommunikativen Handelns
Heyes, Cressida J. 2006. Foucault goes to Weight Watchers, 126-149
Ullrich, Peter. 2010. Linking Governmentality Studies and Protest Research

Literarische Soziologie zur Ferien-Lektüre:
Eribon, Didier. 2016. Rückkehr nach Reims, Berlin: Suhrkamp (Autobiographie)
Ohde, Deniz. 2020. Streulicht. Roman. Berlin: Suhrkamp (junge  Ich-Erzählerin halb-türkischer Herkunft)
Berg, Sibylle. 2019. GRM: Brainfuck. 3. Aufl., Köln: Kiepenheuer (Gibt es das?)

keine

siehe Termine
Gruppe 0
Datum Uhrzeit Ort
Do 15.10.2020
18.00 - 19.30 eLecture - online eLecture - online
Do 22.10.2020
18.00 - 19.30 eLecture - online eLecture - online
Do 29.10.2020
18.00 - 19.30 eLecture - online eLecture - online
Do 05.11.2020
10.15 - 11.45 eLecture - online eLecture - online
Do 12.11.2020
18.00 - 19.30 eLecture - online eLecture - online
Do 19.11.2020
18.00 - 19.30 eLecture - online eLecture - online
Do 26.11.2020
18.00 - 19.30 eLecture - online eLecture - online
Do 03.12.2020
18.00 - 19.30 eLecture - online eLecture - online
Do 10.12.2020
18.00 - 19.30 eLecture - online eLecture - online
Do 17.12.2020
18.00 - 19.30 eLecture - online eLecture - online
Do 07.01.2021
18.00 - 19.30 eLecture - online eLecture - online
Do 14.01.2021
10.15 - 11.45 eLecture - online eLecture - online
Do 21.01.2021
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Do 28.01.2021
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