LFU:online

In dieser Lehrveranstaltung steht die Auseinandersetzung mit dem analytischen Konzept der Klasse und seinen Konjunkturen in der Europäischen Ethnologie im Vordergrund.

In den Sozial- und Kulturwissenschaften hat der Klassenbegriff zwar Tradition, aus den aktuellen gesellschaftlichen wie wissenschaftlichen Diskursen im deutschsprachigen Raum scheint er aber verschwunden zu sein. Der Glaube an die Individualität und an das Leistungsprinzip ist so groß, dass die Klassenbindung als veraltetes Konzept erscheint. Als Gründe hierfür werden u.a. die methodologische Akteurszentrierung, Entwicklung des Konsums, Kulturalismustendenzen (Wolfgang Kaschuba) sowie die Individualisierungsthese (Ulrich Beck) diskutiert. Der Bedeutungsverlust des Klassenbegriffs stimmt jedoch nicht mit der empirischen Wirklichkeit überein, in der Befunde von steigender sozialer Ungleichheit Schlagzeilen machen. Die Frage ist also: does class still count?

Anhand von einschlägigen Werken wollen wir die Klassenfrage (wieder) stellen und den analytischen Mehrwert des Konzepts von sozialer Klasse nachvollziehen. Vor allem die die Pionierstudien von Pierre Bourdieu und Paul Willis eignen sich dazu, Subjektorientierung und soziale Herkunft miteinander zu verknüpfen. Jüngere Forschungen beschäftigen sich mit dem Bewusstsein über soziale Lagen heutiger Arbeiter und Arbeiterinnen, mit Schulen als klassengebundenem Ort der gesellschaftlichen Auf- und Abwertung und mit ästhetischen Praktiken. Fest steht: Klassenbindung existiert, ob der wissenschaftliche Diskurs dies anerkennt oder nicht.

Einführende Vorträge, Textlektüre und -diskussion, aktive Mitarbeit, mündliche Präsentationen.

Schriftliche Arbeit im Umfang von 10-12 Seiten.

Einführend: Jenny Pleinen, Klasse, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 10.03.2015
http://docupedia.de/zg/pleinen_klasse_v1_de_2015
DOI: http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.584.v1.

Heimerdinger, Timo: Habitus (unveröffentlichtes Manuscript, wird auf Olat bereitgestellt)

Vertiefend:

Altreiter, Carina: Woher man kommt, wohin man geht. Über die Zugkraft der Klassenherkunft am Beispiel junger IndustriearbeiterInnen. Frankfurt a. M./ New York: Campus, 2019.

Ege, Moritz: Proll mit Klasse. Frankfurt: campus, 2013.

Lemberger, Barbara: Migration und Mittelschicht. Eine Ethnografie sozialer Mobilität. Frankfurt am Main 2019.

Löfgren, Orvar und Jonas Frykman: Culture Builders. A Historical Anthropology of Middle-class Life. Rutgers UP 1987.

Reckwitz, Andreas: Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne. Berlin: Suhrkamp, 2017.

Steinwachs, Britta: Zwischen Pommesbude und Muskelbank. Die mediale Inszenierung der „Unterschicht“. Berlin, edition assemblage, 2015.

Wellgraf, Stefan: Hauptschüler. Zur gesellschaftlichen Produktion von Verachtung. Bielefeld: transcript, 2012.

Keine.