720471 SE Seminar zur Grundlagen- und Anwendungsvertiefung: Psychologie und Ideologie
Wintersemester 2024/2025 | Stand: 10.06.2024 | LV auf Merkliste setzenIdeologien sind beschrieben worden als Sinnstrukturen im Dienst von Machtinteressen. Das übergreifende Lernziel der Veranstaltung ist es, vertieftes Verständnis für das Phänomen der Ideologie in seinen vielfältigen Manifestationen und Facetten sowie die komplexen Wechselwirkungen zwischen Psychologie und Ideologie zu entwickeln und kritische Denkfähigkeiten zu fördern, um ideologische Einflüsse in der psychologischen Forschung und Praxis sowie im Kontext von Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft zu erkennen, analysieren und dekonstruieren. Dies beinhaltet Kenntnis grundlegender Definitionen und Konzeptualisierungen des Ideologiebegriffs aus historischen und interdisziplinären Perspektiven der kritischen Sozialtheorie, politischen Ökonomie, Soziologie, Organisationswissenschaft, Sozialpsychologie und politischen Psychologie. Aufbauend soll die Fähigkeit entwickelt werden, gegenwärtige ideologische Strömungen und Einflüsse zu identifizieren und deren Auswirkungen auf gesellschaftliche Institutionen, verbreitete Einstellungen und Interpretationen sowie auf psychologische Theorien, Forschungsmethoden und Praktiken kritisch zu reflektieren. Die Teilnehmenden verstehen, wie ideologische Überzeugungen die Entwicklung von Theorien, die Auswahl von Forschungsthemen und Methoden sowie die Interpretation von Ergebnissen beeinflussen, und sind in der Lage, ideologische Verzerrungen in der Forschung zu erkennen, beschreiben und bewerten. Weiterhin sollen die Teilnehmenden gesellschaftliche Implikationen ideologischer Überformungen im Kontext der psychischen Entwicklung und Gesundheit sowie sozialer Beziehungen und Ungleichheit verstehen und wissenschaftlich analysieren können. Zusammenfassend sollen Fähigkeiten zur kritischen Analyse von Ideologien und ihren Einflüssen auf die Psychologie gefördert und dabei verschiedene theoretische Perspektiven und ethische Argumente sowie Implikationen für die eigene berufliche und persönliche Entwicklung reflexiv berücksichtigt werden.
Dieser Kurs bietet eine vertiefte Auseinandersetzung mit der komplexen Wechselwirkung zwischen Psychologie und Ideologie. An der Schnittstelle von unterschiedlichen Teildisziplinen der Psychologie, kritischer Sozialtheorie und politischen Wissenschaften, werden Prozesse beleuchtet, durch die Ideologien die psychologische Theoriebildung, Forschungsmethoden und Praxis sowie deren Kontextualisierung in gesellschaftliche Dynamiken beeinflussen. Inhalte der Veranstaltung umfassen grundlegende Theorien von Ideologie in den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften. Ideologien sind nicht nur integrierte Systeme von Überzeugungen, Werten und Normen, die von Gruppen geteilt werden und ihnen einen Referenzrahmen zur Interpretation ihrer Umwelt und Orientierung ihres Verhaltens geben, sondern beinhalten ein verzerrendes, manipulatives und limitierendes Element, das Machtstrukturen naturalisiert und partikulare Interessen legitimiert, die denen der ideologisch indoktrinierten zuwiderlaufen. Hieraus leitet sich der kontroverse Begriff des “falschen Bewusstseins” ab, der den Ausgangspunkt der sozialpsychologischen Systemrechtfertigungstheorie bildet, deren umfangreiche empirische Ausarbeitung nachvollzogen wird. Eingegangen wird auf die soziale Dominanzorientierung und andere Konstrukte, die der Legitimation gesellschaftlicher Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten sowie der Marginalisierung berechtigter sozialer und ökologischer Interessen dienen. Einen Schwerpunkt bildet die umfangreiche Literatur zur Kritik neoliberaler politisch-ökonomischer Ideologie und deren korrosiver Auswirkungen auf gesellschaftliche Institutionen und Normen sowie auf psychologische Theorien, Modelle, Konstrukte und deren Anwendung in unterschiedlichen Kontexten. Verwandte Ideologien des Managerialismus, Unitarismus und Individualismus werden thematisiert. Angeregt wird die kritische Reflexion zur Rolle von Ideologien in Bezug auf eigene unhinterfragte Einstellungen und Interpretationen sozialer Realitäten.
Einführende Vorträge und Anleitung durch den LV-Leiter; themenspezifische Leseaufträge und Literaturarbeit basierend auf ausgewählten englischsprachigen Fachartikeln; selbständige Erarbeitung, mündliche Präsentation und schriftliche Dokumentation von integrierten Literaturzusammenfassungen und Forschungsüberblicken zu den spezifizierten Themenkomplexen in Kleingruppen; Rückmeldung und Diskussionen zu den präsentierten Inhalten; Entwicklung und Präsentation sowie schriftliche Dokumentation und Ausarbeitung von eigenständigen Projektstudien mit maßgeblicher kreativer intellektueller Eigenleistung in Kleingruppen, basierend auf der vorgelagerten Literaturarbeit und den im Zuge der Veranstaltung insgesamt vermittelten Inhalten.
Die Lehrveranstaltung hat immanentem Prüfungscharakter; Leistungsbestandteile beinhalten die Erfüllung der Anwesenheitsvoraussetzungen; die aktive Beteiligung an Diskussionen und Übungen; die Inhalte und Qualität der mündlichen Vorträge und eingereichten Präsentationsmaterialen sowie der Ausarbeitungen der selbständigen Studienprojekte. Spezifische Leistungsbestandteile und deren Gewichtung werden zu Beginn der Veranstaltung bekanntgegeben.
Strukturierte Literaturliste mit finalen Lese- und Präsentationsaufträgen wird bekanntgegeben. Exemplarische Literaturhinweise:
Stoddart, M. C. (2007). Ideology, hegemony, discourse: A critical review of theories of knowledge and power. Social Thought & Research, 191-225.
Seeck, H., Sturdy, A., Boncori, A. L., & Fougère, M. (2020). Ideology in management studies. International Journal of Management Reviews, 22(1), 53-74.
Nafstad, H. E., & Blakar, R. M. (2012). Ideology and social psychology. Social and Personality Psychology Compass, 6(4), 282-294.
Zmigrod, L. (2022). A psychology of ideology: Unpacking the psychological structure of ideological thinking. Perspectives on Psychological Science, 17(4), 1072-1092.
Bal, P. M., & Dóci, E. (2018). Neoliberal ideology in work and organizational psychology. European Journal of Work and Organizational Psychology, 27(5), 536-548.
Jost, J. T. (2006). The end of the end of ideology. American Psychologist, 61(7), 651-670.
Goudarzi, S., Badaan, V., & Knowles, E. D. (2022). Neoliberalism and the ideological construction of equity beliefs. Perspectives on Psychological Science, 17(5), 1431-1451.
Adams, G., Estrada‐Villalta, S., Sullivan, D., & Markus, H. R. (2019). The psychology of neoliberalism and the neoliberalism of psychology. Journal of Social Issues, 75(1), 189-216.
Azevedo, F., Jost, J. T., Rothmund, T., & Sterling, J. (2019). Neoliberal ideology and the justification of inequality in capitalist societies: Why social and economic dimensions of ideology are intertwined. Journal of Social Issues, 75(1), 49-88.
Bettache, K., & Chiu, C. Y. (2019). The invisible hand is an ideology: Toward a social psychology of neoliberalism. Journal of Social Issues, 75(1), 8-19.
Monteiro, B. M. A., Pfeiler, T. M., Patterson, M. D., & Milburn, M. A. (2017). The Carnism Inventory: Measuring the ideology of eating animals. Appetite, 113, 51-62.
- SDG 3 - Gesundheit und Wohlergehen: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern
- SDG 8 - Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum: Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern
- SDG 10 - Weniger Ungleichheiten: Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern
Gruppe | Anmeldefrist | |
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720471-0 | 01.09.2024 00:00 - 21.09.2024 23:59 | |
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Hornung S. |